Frei. Raum. Klasse.

Erzählen/Berichten/Beschreiben/Argumentieren
Entwurf für eine Frei-Raum-Klasse bestehend aus einer Serie von fünf Workshops und einer Kunstinstallation.

An österreichischen Volksschulen sprechen über 25 % eine andere Erstsprache als Deutsch, in Wien sind es 54,6 %.
BMBF 2014

Deutsch lernen.

Seit dem Schuljahr 2018/19 gilt ein neues Kriterium für die Anerkennung als ordentliche Schüler*innen: „das ausreichende Beherrschen der deutschen Sprache, um dem Unterricht folgen zu können“. Alle Kinder, bei denen während der Schulreifefeststellung dieser Mangel auffällt, gelten als außerordentliche Schüler*innen und kommen in separate Deutschförderklassen. Dort wird 15 bis 20 Wochenstunden nach eigenem Lehrplan Deutsch unterrichtet. Turnen, Zeichnen und Musik soll gemeinsam mit Schüler*innen der Regelklasse stattfinden.

Aus der Spracherwerbsforschung ist bekannt, dass sprachliche Fähigkeiten nicht chaotisch angeeignet werden, sondern in empirisch gut belegten Aneignungsfolgen (EHLICH et al. 2008). Diese werden in dem Instrument Unterrichtsbegleitende Sprachstandsbeobachtung Deutsch als Zweitsprache (USB DaZ, BMBF, Wien, 2014.) aufgegriffen und angewandt. 

Dadurch ist es möglich, den Sprachaneignungsstand der beobachteten Kinder in Form eines Kompetenzprofils darzustellen. Dieses ermöglicht den Anschluss von Förder- und Unterstützungsmaßnahmen, die an die Fähigkeiten der Kinder anknüpfen.

Gemeinsam Deutsch lernen.

Das Projekt Frei. Raum. Klasse verwendet die Mittel der Unterrichtsbegleitenden Sprachstandsbeobachtung – ein empirisch geprüftes wissenschaftliches Diagnoseinstrument, das für die 1.-7. Schulstufe vom BMBWF als valide eingeschätzt wird – als Methode für ein Modell des gemeinsamen integrativen Deutschlernens.

Unter Beibehaltung der geprüften Verfahren (USB DaZ) soll nachgewiesen werden, worüber sich viele Bildungsexperten einig sind: Integration und Inklusion von benachteiligten Communities ist der bessere Lösungsansatz für Sprachprobleme aller Art. Kindern darf kein Nachteil entstehen, nur weil ihre Sprachkenntnisse in Deutsch zum Beginn ihrer Schulkarriere schlechter ausgeprägt sind.

Das Lernen von und mit einer Gemeinschaft hilft sowohl den Lernenden, als auch jenen Kindern, die mit ihrer Kommunikation helfen, die Sprachmängel zu beheben. Durch die hier angewandte Methodik (peer-Verfahren) werden gleichermaßen die literalen Fähigkeiten geschärft, wie auch soft skills erlernt.

Wie wollen wir zusammenleben?

Deutschlernen fällt leichter, wenn man sich in Umgebungen bewegt, die im Alltag Deutsch sprechen. Es findet nicht nur im Deutschunterricht statt, sondern z.B. auch beim Zuhören. Die Aneignung von Sprachkompetenz ist dann von Erfolg geprägt, wenn diese auf Integration und Inklusion beruht. Kinder lernen am besten von anderen Kindern und wenn sie als Teil der Gemeinschaft wahrgenommen werden.

Das Thema Deutschförderklassen ist “a child of its time”, eine Bildungsidee von 2018, die sehr gut die Veränderung in unserer Gesellschaft widerspiegelt und eine der zentralen Fragen unserer Zeit aufwirft: Wie wollen wir zusammenleben? Die Antworten darauf werden vielfältig und überraschend sein. 

Schüler*innen ohne “das ausreichende Beherrschen der deutschen Sprache” durchlaufen einen Prozeß zur Aneignung von Textkompetenz, welcher hier dokumentiert wird und zwar von ihren ordentlichen Mitschüler*innen, die dabei ihre literalen Fähigkeiten schärfen und soft skills entwickeln.

Textmuster.

Die entworfenen Textmuster der Schüler*innen werden gesammelt, katalogisiert und in fünf Workshops mit fünf Künstler*innen ausgewählt/lektoriert/kuratiert. Die einzuladenden Künstler*innen erfüllen mindestens eine der drei folgenden Parameter: 

  • sie beschäftigen sich mit Text/Sprache als Medium
  • sie haben (auch) einen akademischen/pädagogischen Hintergrund
  • sie haben (selbst) Erfahrung mit Migration und dem Erlernen der deutschen Sprache

Billboards.

Mit dem Beobachtungsbereich TEXTKOMPETENZ wird für gewöhnlich festgestellt, wie komplex und anspruchsvoll Texte sind, die von der / dem Beobachteten (Deutschlernenden) verfasst werden. In diesem Fall verfassen (ordentliche) Schüler*innen, die bereits über die nötigen Deutschkenntnisse verfügen, Textmuster, die sich inhaltlich mit dem Verhältnis von Deutschförderklassen zu Regelklassen beschäftigen und dabei der Syntax der Sprachstandsbeobachtung folgen, die für die neuen Deutschförderklassen unterrichtsbegleitend vorgesehen ist. 

(Beispielstexte)

 
 
 
 
 
 

Meta-Klasse.

Durch Nominierung der “Schulschreiber” aus ordentlichen und außerordentlichen Schüler*innen aus der ganzen Schule ergibt sich ein neuer Verband — eine Art “Meta-Klasse”, die gewährleistet, dass alle Klassen involviert sind und es ein schulweites Projekt wird. Die Bedürfnisse und der Lernfortschritt der Deutschförderklassenkinder werden aus der Isolation in den Schulalltag transferiert.

Durch Publikation der Ergebnisse im angrenzenden Park, dem erweiterten Wohnzimmer der Menschen aus der Umgebung, erhält das Projekt eine Präsenz im unmittelbaren öffentlichen Raum und wird zum Grätzel-Gesprächsthema. 

 

Systemwandel.

Ein neuer Terminus innerhalb des Bildungssystems – “Deutschförderklasse” – wird einer Beobachtung unterzogen. Das Projekt adressiert folgende Ziele zur Erreichung einer nachhaltigen Entwicklung (Sustainable Developement Goals) auf jene Weise: 

  • Quality Education durch kunst-affinen projektorientierten Unterricht in Workshops mit adäquatem didaktischem Konzept
  • Gender Equality durch Förderung von Schüler*innen bei der Einladung zum “Schul-Schreiber” und bei der Auswahl der Textserien
  • Reduced Inequalities durch Förderung von benachteiligten (außerordentlichen) Schüler*innen der Deutschförderklassen, damit diesen kein Nachteil entsteht, nur weil ihre Sprachkenntnisse in Deutsch zum Beginn ihrer Schulkarriere schlechter ausgeprägt sind
  • Peace, Justice and strong Institutions durch Vermittlung von Haltung und Empathie damit die teilnehmenden Schüler*innen ein Sensorium für Ungerechtigkeit, Benachteiligung und Separation entwickeln